PARIS-ROUBAIX HAT SCHON VIELE GESCHICHTEN ERLEBT

PARIS-ROUBAIX HAT SCHON VIELE GESCHICHTEN ERLEBT

Carl in der Spitzengruppe (Bildrechte:Thomas Maheux) (Bild: 1/8)

und geschrieben. Jetzt ist das LKT-Team Teil dieser Geschichte und  „unser Kapitel“ daraus ist spannend und erzählenswert. Unsere Geschichte bzw. unser Rennen Paris-Roubaix Espoirs (U23) begann mit der bewussten Entscheidung uns  wieder verstärkt um Radrennen in den klassischen Radsportländern Frankreich, Belgien oder Holland zu bemühen. Logistisch und finanziell bedeutete dies einen deutlichen Mehraufwand für das Team, da Radrennen in Polen oder Tschechien für uns einfacher zu erreichen sind. Doch die Rennen im Westen bieten mehr Konkurrenz und einen besonderen Charakter. Die unvergleichlichen Strecken, das Medieninteresse und die Legenden wie Eddy Merckx, Francesco Moser oder jüngst Tom Boonen und Fabian Cancellara formen seit Jahrzehnten diesen Charakter. In diese Welt eintauchen zu dürfen bedeutet für alle Radsportler ein Highlight und hat uns motiviert die Herausforderung anzunehmen. Eine Einladung ist nicht selbstverständlich und so haben wir uns bereits Anfang des Jahres über unseren ersten Sieg in Form der Zusage für das Rennen Paris-Roubaix Espoirs (U23) riesig gefreut. Das „kleine“ Paris-Roubaix ist beim genaueren Hinschauen gar nicht so klein. Denn mit 22 Kopfsteinpflasterstücken (Paves) statt der 27 wie beim „großen“ Rennen und mit 182 Kilometern Streckenlänge wartete trotzdem noch ein anständiges Brett auf die U23-Fahrer. Dementsprechend konzentriert gingen wir die Vorbereitung an und absolvierten bereits im April das erste Trainingslager in Belgien und Frankreich. Mit den Eindrücken eines extrem spannenden Rennens der „Großen“, welches unmittelbar am Wochenende vor unserem Trainingslager lief und das Mathew Hayman vor Tom Boonen gewann, gingen wir angefixt zum ersten Test auf das Pave. Auf dem Prüfstand stand alles! Streckenabschnitte suchen, finden und analysieren, Material testen und optimieren, wie verhält sich der Körper und womit kann ich ihn am besten gegen die Schläge auf den Paves schützen. Immer wieder wurde angehalten, gefachsimpelt, die Hände neu getapt oder auch einfach nur auf den Renndienstwagen gewartet, der Probleme hatte den Jungs zu folgen ohne sich komplett den Unterboden aufzureißen. Mit an Bord war auch unser Flimer Holger Werth, der Videomaterial für unseren Trailer sammelte. Das erste Fazit – geil! (O-Ton Jasper) … und es ist schlimm, aber nicht so schlimm, wie gedacht. Die Schäden an Mensch und Material hielten sich in Grenzen und alle kamen nach 21 absolvierten Paves im legendären Stadion in Roubaix an. Wir waren begeistert, was sicherlich auch an den Begegnungen neben der Strecke lag. Ob im „Cycling-House-Belgium“ in Izegem,  in welchem wir wohnten und welches komplett auf die Bedürfnisse von Radsportteams ausgelegt ist, das herzliche Treffen mit Hansjoerg und seiner Familie, bei der wir die neuen Dachgärten für unsere Renndienstwagen abholten oder die begeisterten Leute am Straßenrand, die jedem Rennfahrer mit Respekt und Höflichkeit begegnen – gelebter und geliebter Radsport pur!!!

Den Abschluss unseres Trainingslagers bildete das Rennen „Profronde van Noord-Holland“, einem 1.2 Rennen, welches sehr gut für uns lief und Jasper mit einem starken 4.Platz beendete.

Nach intensiver Vorbereitung in der Heimat gingen wir dann in der letzten Woche in das große Finale und am Sonntag  an den Start von Paris Roubaix. Wie die anderen Teams auch, fuhren wir am Donnerstag noch einmal komplett die Strecke mit dem Rad ab und an den Tagen darauf zusätzlich noch einmal mit dem Auto. Detaillierte Streckenpläne wurden erstellt, die Helfer eingeteilt, stärkere Reifen geklebt und mit Pannenmilch versiegelt, gemeinsam gekocht und sich eingestimmt auf den Tag X.

Der Tag X begann mit wolkenbruchartigem Regen, aber moderaten Temperaturen. Der Regen ließ nach und hörte zum Start ganz auf. Voraus geeilt waren der Sportliche Leiter Sebastian Deckert und der Manager Steffen Blochwitz. Die nahmen an der Mannschaftsleitersitzung teil und sammelten die letzten Informationen zum Rennen ein. „Der Umgang zwischen den Sportlichen Leitern ist von gegenseitiger Achtung und Höflichkeit geprägt, der sich bis zu den Kommissären, Ordnern und Fans fortführt.“ – so Steffen Blochwitz „Es ist schon schön, wenn dich Axel Merckx erkennt und für ein kleines Hallo auf dich zukommt. Oder die Fans, die mit liebevoll gestalteten Autogrammbüchern auf dich warten, in dem auch die Sportlichen Leiter geehrt werden und einen Platz für ihr Autogramm bekommen.“

Das Team wurde, wie in den vergangenen Rennen auch, offensiv eingestellt. „Seid mutig, glaubt an euch und fahrt nach vorn raus!“ so die Marschrichtung von Sebastian für die Jungs. Jasper Frahm, Robert Kessler, Max Kanter, Leon Rohde, Carl Soballa und Willi Willwohl gingen für das LKT-Team an den Start. „Ich wusste, dass alle im Team fit waren und sich der Aufgabe stellen konnten. Auch wenn in den vergangenen Rennen unsere offensive Fahrweise nicht immer zum Erfolg führte, sie hat uns stark gemacht.“ Dass er damit richtig lag, bewies Carl Soballa, der nach wenigen Kilometern bereits in der Gruppe des Tages war. „Die Kilometer bis zu den ersten Paves waren extrem hart.“ – so Carl. „Danach beruhigte sich die Situation und ich hatte zu keiner Zeit des Rennens ernsthafte Schwierigkeiten. Das Fahren in der 15-Mann Spitzengruppe war natürlich auch übersichtlicher als im dahinter jagenden Feld. Da ist bei jeder Anfahrt auf ein Pave Krieg, denn jeder will als Erster rauf fahren.“ Der Renndienstwagen blieb hinter der Spitzengruppe mit Carl, was bedeutete, dass der Rest der Truppe quasi ohne Absicherung unterwegs war, wenn man nicht gerade in der Nähe eines unserer aufgestellten Materialdepots oder des neutralen Materialwagens stürzte oder Schaden hatte. Als Ersten erwischte es Leon Rohde, der nach Schaden zu spät versorgt wurde und das Rennen bereits nach 50 Kilometern verlassen musste. Als Nächster folgte Jasper Frahm, dessen Schaltung nach Sturz nicht mehr funktionierte. „Wir verließen die Spitzengruppe um Jasper zu helfen.“ – so Steffen Blochwitz „Das war vielleicht ein Fehler, da wir die Spitze nie wieder erreichten. Gestürzte Rennfahrer, Motorräder – ständig war die Straße verstopft und wir erreichten Carl nicht mehr bzw. zu spät, wie sich später heraus stellen sollte. Zwischenzeitlich fuhr Sebastian mit dem zweiten Renndienstwagen  in den Konvoi und sicherte ab. Es folgte mit Robert Kessler Rennfahrer Nummer 3, der nach behobenem Schaden gleich noch einmal von einem Motorrad abgedrängt wurde und wieder vom Rad musste. Danach war auch für ihn das Rennen gelaufen.

Die Situation 20Kilometer vor dem Ziel war für unser Team aber trotzdem noch vielversprechend. Carl war immer noch in der Spitzengruppe und mit Max Kanter und Willi Willwohl hatten wir noch 2 Fahrer in dem stark dezimierten Feld von ca. 30Mann. Der Abstand zur Spitze betrug noch gut 1 Minute. Egal ob es zum Zusammenschluss kommen würde oder nicht, wir waren gewappnet. Endlich hatte unser Renndienstwagen auch wieder Sichtkontakt zum Feld. Verdammt - da steht Max! Der hatte zwar schon mit dem Neutralen Materialwagen gewechselt, war aber bereits zu weit weg, um ihn wieder in Schlagdistanz zu bringen. Also nur noch Carl und Willi. Und auf einmal aus dem Nichts taucht Carl auf und das auf einem absolut harmlosen Asphaltstück. Das kann doch nicht wahr sein! Carl war  in der Spitzengruppe von einem übermotivierten Renner in einen Sturz verwickelt worden. Gruppe weg, Rad Schrott, Traum geplatzt … so eine Scheiße! (sorry aber das kann man nicht schön reden) Danach war die Luft raus, bei den Jungs, wie im Renndienstwagen. Willi warf sein letztes Korn noch für eine Attacke auf die Straße, die aber nicht erfolgreich war und kam letztendlich als 29. ins Ziel.

Die Stimmung war im tiefsten Keller, besonders bei Carl. Die Situation kann man kaum beschreiben und die richtigen Worte waren auch von Sebastian nach dem Rennen nur schwer zu finden. Am Folgetag konnten jedoch schon viele von uns den Frust  zurück lassen. Wir sind  stolz auf das Erreichte und freuen uns bereits auf das Wiedersehen im nächsten Jahr. Für uns war das Erlebte eine große Geschichte, für das Rennen Paris-Roubaix waren wir nur eine kleine Episode, welche wir in den Staub einer Legende geschrieben haben!